Von den 60iger Jahren bis in die 80iger Jahre

In den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte Bergneustadt ein enormes Angebot an Arbeitsplätzen und war eine der bedeutendsten Industrie-Kleinstädte Deutschlands.

Das ehrgeizige Ziel des damaligen Stadtdirektors Dr. Karl-Heinz Rothe (Stadtdirektor von 1962 bis 1974) war, die Wirtschaft weiter auszubauen und durch ein ausreichendes Wohnungsangebot Arbeitskräfte anzuziehen. Nach der Erschließung von Wohngebieten in den 50iger und 60iger stand jedoch in der Tallage innerhalb des neuen Stadtgebietes von Bergneustadt kein weiteres Gelände für eine großflächige Bebauung zur Verfügung.

Mit der heimischen Wohnungsbaugenossenschaft GeWoSie (Gemeinnützige Wohnungsbau - und Siedlungsgenossenschaft eG Bergneustadt) stand ein kompetenter Investor bereit – jedoch mangelte es in der bergigen Landschaft an den für den Wohnungsbau erforderlichen erschließbaren Flächen. Daher wurde der Bebauungsplan „Hackenberg“ aufgestellt und die Beschlüsse zur großräumigen Erschließung des Hackenbergs gefasst.

Als in der Bergneustädter Bevölkerung bekannt wurde, dass der Hackenberg mit mehr als 3.000 Menschen besiedelt werden sollte, glaubten viele an einen Aprilscherz. Man war gewohnt in der Nähe des Stadtzentrums zu wohnen. Auch bei noch so großer Wohnungsnot konnte man sich nicht vorstellen, dass jemand auf den „Hackenberg“ ziehen würde.

Es löste Unglauben aus, dass sich dort ein Gemeinwesen entwickeln könnte. Einige Bürger erhoben Einspruch gegen den Bau von achtgeschossigen Häusern. Die Bebauungsabsicht wurde aber auch humorvoll gesehen. So komponierte der Leiter der Feuerwehrkapelle eine Hymne, in der der Hackenberg wegen der geplanten Hochhäuser mit „Manhattan“ verglichen wurde. Allen ernsten und humorvollen Anregungen und Einsprüchen zum Trotz wurde der Bebauungsplan vom Rat der Stadt beschlossen. Diese Erschließungsmaßnahme erfolgte nicht zuletzt unter dem Druck der laufenden kommunalen Neugliederung. Bergneustadt musste wachsen und seine Bevölkerungszahl vermehren. Hierfür wurden Um- und Aussiedler, wie in allen anderen Städten des Landes, angeworben nach Bergneustadt zu kommen. Die positive industrielle Entwicklung begünstigte zudem bei vielen Menschen die Entscheidung nach Bergneustadt zu ziehen.

Bebauung: 1966 begann mit der Grundsteinlegung zu den achtgeschossigen Häusern in der Breslauer Straße die Besiedlung des Hackenberges im großen Stil. Bis 1972 erfolgte die Fertigstellung von 410 Wohnungen in der Breslauer Straße, Liegnitzer Straße, Schöne Aussichtund Hohle Straße. Zeitgleich erfolgte der Bau von weiteren Mehrfamilienhäusern in der Danziger – und Königsberger Straße.

Erste Vermietungsschwierigkeiten traten 1972 mit der Fertigstellung der beiden Hochhäuser Schöne Aussicht 54 und Hohle Straße 21 auf. Seitens der GeWoSie wurde festgestellt: „Das von Verwaltung, dem Rat der Stadt und der GeWoSie gesetzte Ziel ist mit dem Abschluss der Bebauung gemäß dem Bebauungsplan „Hackenberg“ erreicht. Die Wohnungsnot der Nachkriegszeit ist überwunden“. Diese Erkenntnis veranlasste die GeWoSie die Bautätigkeit im großen Stil auf dem Hackenberg nicht fortzusetzen und nur noch nachfrageorientiert zu bauen.

Für die zukünftige Entwicklungen waren jedoch nicht die praktischen Erfahrungen ausschlaggebend, sondern theoretische Annahmen verbunden mit Wunschvorstellungen. So prognostizierte die Verwaltung der Stadt Bergneustadt, entgegen den Erfahrungen der GeWoSie, einen zusätzlichen Bedarf von 1.900 Wohnungen bis zum Jahr 1975. („Der Wohnungsbedarf der Stadt Bergneustadt“, Verfasser Dr. K. H. Rothe). In einem Schnellverfahren wurde Grunderwerb betrieben, ein Bebauungsplan aufgestellt und als Investor die „Bremer Treuhand“ beauftragt, die weitere Planung umzusetzen. 

Die in Bürgerversammlungen vorgetragenen Bedenken haben sicherlich dazu beigetragen, dass der vorgesehene Bebauungsplan geändert wurde. Statt der geplanten 1.900 Wohnungen wurden nur ca. 500 gebaut. Das am Aehlenberg als „städtebauliche Dominante“

(Aussage Dr. Rothe) geplante vierzehngeschossige Hochhaus wurde ebenfalls nicht gebaut.

Mit der Fertigstellung der Häuser durch die „Bremer Treuhand“ traten erhebliche Vermietungsschwierigkeiten auf, die sich auch bei den anderen Bauträgern -besonders bei der GeWoSie – bemerkbar machten. Die mit dem Wohnungsleerstand verbundenen Mietverluste erschwerten zudem notwendige Investitionen. Nach der Insolvenz der Bremer Treuhand und mehreren Firmenübernahmen wurden die Häuser dann im Jahr 2004 von dem amerikanischen Hedge–Fond „Fortress“ übernommen.

Mit dem Zuzug der Aussiedler aus Osteuropa Ende der 80iger waren für kurze Zeit in Hackenberg alle Wohnungen vermietet. Seit ca. 1995 steigt der Wohnungsleerstand aber wieder stetig an. Die nicht bedarfsorientierte Bebauung hatte zudem nachhaltige wirtschaftliche Folgen und auch Auswirkungen auf den Ruf dieses Stadtteiles. Ursprünglich waren Ein– und Mehrfamilienhäuser in einem ausgewogenem Verhältnis geplant.

Die Eigenheimbebauung begann 1967 mit der Grundsteinlegung für die Häuser in der Liegnitzer Straße und erstreckte sich fort über Löhstraße, Sonnenkamp, Königsberger-, Danziger- und Stettiner Straße.

Die Bebauung wurde Mitte der 70iger Jahre westlich der Talsperrenstraße in Leienbach fortgesetzt. Durch die großzügige staatliche Förderung und Unterstützung und Mithilfe der GeWoSie war die Nachfrage nach preiswertem Baugelände für Eigenheime zu dieser Zeit noch ungebrochen hoch. Um der großen Nachfrage nachzukommen, beschäftigten sich Rat und Verwaltung bereits 1978 damit, das Eichenfeld zu erschließen. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes verzögerte sich immer wieder.

Anfang der 90iger Jahre wurde schließlich ein Bebauungsplan beschlossen und die Stadt kaufte das zu erschließende Gelände Richtung Knollen. Inzwischen hatten eine stattliche Anzahl von Grundstücksbewerbern, die sich dem Hackenberg verbunden fühlten, in den Nachbargemeinden Grundstücke erworben. Daher verlief der Verkauf der Grundstücke zunächst schleppend. Das änderte sich mit dem Zuzug der Familien aus Osteuropa.

Der Plan der örtlichen Bau- und Verwaltungsgesellschaft BVG, das als Gartenfläche genutzte Grundstück an der Talsperrenstraße, unterhalb der Grundschule zu erschließen und mit Eigenheimen zu bebauen, fand die Zustimmung der Verwaltung, wurde aber von der Ratsmehrheit zum damaligen Zeitpunkt abgelehnt.

Zeitgleich mit dem Baubeginn der Häuser in der Breslauer- und der Löhstraße wurden in der Königsberger Straße/ Schöne Aussicht durch einen Bauträger Eigentumswohnungen errichtet. Hierbei dürfte es sich sicherlich um die ersten größeren Anlagen für Eigentumswohnungen in Bergneustadt gehandelt haben. Mit dem Haus Hohle Straße 26 wurde später das Angebot an Eigentumswohnungen erweitert. Vermietungsschwierigkeiten führten dazu, dass die beiden Hochhäuser Schöne Aussicht 32 und 34 sowie weitere mehrgeschossige Häuser in der Königsberger Straße ebenfalls in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden.

Infrastruktur: Die technische Erschließung hielt mit der Bebauung Schritt, so dass von Beginn an ein funktionsfähiges Ver- und Entsorgungsnetz zur Verfügung standen. Hierzu gehörte auch der Bau eines neuen Hochbehälters „Am Knollen“, der die Wasserversorgung und den notwendigen Wasserdruck in den höher liegenden Ortsbereichen sicherte. Zur weiteren Versorgung wurden in den Straßenkörpern Leitungen für Wasser, Elektrizität, Gas und Telefon verlegt. Mit Einführung des Kabelfernsehens wurde auf Initiative der GeWoSie das Versorgungsnetz entsprechend ergänzt.

Nicht Schritt mit der rasanten Bevölkerungszunahme hielt die Schaffung von Infrastruktur– und Sozialeinrichtungen. In Hackenberg/Leienbach gab es zu Beginn der großflächigen Bebauung außer zwei kleinen Lebensmittelgeschäften, einem Geschäft für Maler- und Anstreicher Bedarf und einem Geschäft für Haushaltsgeräte und Anglerbedarf nichts, was zur Versorgung des täglichen Bedarfs erforderlich war. Das Fehlen jeglicher Versorgungseinrichtungen führte schließlich zu massiven Protesten, die in Bürgerver-sammlungen im Saal der Gaststätte „Zum Hackenberg“ zum Ausdruck gebracht wurden. Ab Anfang der 70iger Jahre entstand endlich an der Breslauer Straße ein Einkaufszentrum mit Geschäften für den  täglichen Bedarf.

In einer Vielzahl weiterer Bürgerversammlungen wurden die dringend notwendigen Einrichtungen wie Schule, Sportstätten, Kindergärten, Begegnungsstätte und bessere Busverbindung angemahnt. Mit dem Bezug der ersten Häuser in den Neubaugebieten stieg die Zahl der Kinder stetig an. Im Jahr 1970 wurde die Gemeinschaftsgrundschule Bergneustadt -Hackenberg endlich ihrer Bestimmung übergeben. Zu dieser Zeit wohnten nur wenige Migranten in dem Neubaugebiet. Das änderte sich ab 1974 durch den Nachzug der Familienangehörigen der „Gastarbeiter“. Die Kinder der Migranten bildeten in der Grundschule oft die Mehrheit. Teilweise besuchten Kinder aus 13 Nationen die Grundschule, der Anteil der Migrantenkinder stieg bis auf 62 %.

Den Bewohnern wurde gleichfalls viel Geduld abverlangt, bis der erste Kindergarten eröffnet werden konnte. Der städtische Kindergarten in der Löhstraße (heute „Krümelkiste“) wurde 1974 seiner Bestimmung übergeben. Im Jahr 1997 übernahm der Verein für soziale Dienste die Trägerschaft für den Kindergarten von der Stadt Bergneustadt. Im Sonnenkamp wurde 1975 durch die Stadt Bergneustadt ein weiterer Kindergarten eröffnet (heute „Sonnenschein“), für den inzwischen die Johanniter die Trägerschaft übernommen haben. Im Zusammenhang mit der Erschließung des Wohngebietes Eichenfeld wurde durch die Bau- und Verwaltungsgesellschaft (Tochterunternehmen der GeWoSie) an der Acker Straße der Kindergarten „Fantadu“ errichtet. Die Trägerschaft wurde von den Johanniter übernommen.

Im Bebauungsplan waren an der Löhstraße Bauflächen für Kirchengebäude ausgewiesen. Bevor es jedoch zur Bebauung kam, wurde der Ev. Gottesdienst zunächst in der Breslauer Straße 33 (Haus „Bergblick“) abgehalten. 1970 wurde ein provisorisches Evangelisches Gemeindehaus in der

Liegnitzer Straße errichtet. Die Katholische Gemeinde nutzte ebenfalls das provisorische Evangelische Gemeindehaus. Auf Initiative des Katholischen Priesters, Pater Habets, und seines Evangelischen Kollegen, Wolfgang von Woyski, wurde über eine Simultankirche mit Gemeindezentrum für Evangelische und Katholische Gemeindemitglieder nachgedacht. Das Erzbistum Köln lehnte diese Überlegung ebenso ab wie die Idee, dass ein gemeinsames Gemeindehaus unmittelbar zwischen den beiden vorgesehenen Kirchen gebaut werden könnte.

Danach gab die Evangelische Kirchengemeinde ihren Plan, das Gemeindezentrum in der Löhstraße zu errichten auf, erwarb in der Ortsmitte ein Grundstück und errichtete dort das „GemeindeCentrum“ in der Breslauer Straße. Die Einweihung des Gebäudes erfolgte 1976.

Auf dem für den Kirchenbau eigentlich vorgesehenen Grundstück in der Löhstraße errichtete die Katholische Kirchengemeinde ihre Kirche, Gemeinderäume und das Pfarrhaus. 1981 konnte die Kirche St. Matthias eingeweiht werden.

Ebenfalls an der Löhstraße errichtete die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Hackenberg ihr Gemeindehaus.

Dr. Thomas Funke in "Bergneustadt im Blick" Folge 693 u. 694 / 2011